Michael Wippler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks e. V., spricht zum ­Messeauftakt über die Herausforderungen in einem schwierigen Marktumfeld, traditionelle Handwerkskunst mit modernem Twist und Nachwuchsgewinnung via Instagram und TikTok. 

Herr Wippler, seit 2015 leiten Sie als Präsident die Geschicke des Verbands; gleichzeitig führen Sie seit über 40 Jahren erfolgreich einen ­Familienbetrieb. Sie kennen Ihre Zunft demnach wie kaum ein anderer. Wie beurteilen Sie die Situation im deutschen Backmarkt im internationalen Vergleich? 

In Deutschland sind die Deutsche Brotkultur und damit Brot und Backwaren des Bäckerhandwerks nach wie vor beliebt und fest verankert in der Gesellschaft. Allerdings stehen die rund 9.900 Handwerksbäcker vor enormen Herausforderungen. Die hohen Energiepreise sorgen bei vielen Betriebsinhabern für Sorgenfalten. Neben der überbordenden Bürokratie fordern unsere Betriebe aktuell die Anhebung des Mindestlohns gepaart mit akutem Fachkräftemangel sehr heraus.  

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks kämpft schon lange gegen bürokratische Auswüchse, die den Handwerksbetrieben das Leben schwer macht.  

Besonders für kleine und mittelständische Betriebe gibt es zu wenig Ausnahmeregelungen, was zu absurden bürokratischen Auswüchsen führt, die nicht im Verhältnis stehen. Besonders gravierend ist zudem der Nachwuchs- und Fachkräftemangel, der uns in den nächsten Jahren weiter intensiv beschäftigen wird. Viele Betriebsinhaber gehen in den kommenden Jahren in den Ruhestand und finden keine Nachfolger, doch auch Auszubildende sind immer schwieriger zu finden. 

Wie unterstützt der Verband in dieser Frage die Handwerksbäcker?  

Mit der Kampagne „Back dir deine Zukunft“ engagiert sich der Zentralverband schon seit Langem im Bereich der Nachwuchsgewinnung. Um wieder Lust auf das Handwerk zu machen, informieren wir beispielsweise auf Instagram und TikTok mit unseren jungen Backfluencern über die Vielseitigkeit der Berufe und erklären, wie der Einstieg gelingt und erfolgreiche Karrierewege verlaufen können. Das sind großartige Möglichkeiten, die neue Kommunikationswege und die Erschließung neuer Zielgruppen ermöglichen. Wir müssen das Handwerk wieder attraktiver machen, um Betriebsschließungen in den kommenden Jahrzehnten zu vermeiden. 

Was sind in Ihren Augen die wichtigsten Markttrends und welche Auswirkungen haben diese für die Handwerksbäcker? 

Die Konkurrenz mit der industriellen Produktion ist hoch, weshalb viele Handwerksbäcker gut beraten sind, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und damit zu überzeugen. Die Menschen wissen gute, handwerklich hergestellte Produkte nach wie vor zu schätzen. Verbraucher wünschen sich Regionalität und handwerkliche Qualität. Sie hinterfragen immer mehr die Herkunft der Produkte. Viele Bäckereien fokussieren sich auf ein Sortiment, das sich durch traditionell gebackene Brote mit modernem Twist auszeichnet. Vor allem Dinkel und andere Urgetreidesorten sowie Produkte mit ernährungsphysiologischem Mehrwert erfreuen sich daher einem großen Revival. 

Handwerksbäcker müssen also den Spagat zwischen dem Verbraucherwunsch nach Regionalität und Handwerkskunst sowie enorm gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen schaffen. Welche Relevanz haben vor diesem Hintergrund die Megathemen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz? 

Die Themen Nachhaltigkeit, der digitale Fortschritt und die Fokussierung auf Regionalität sind wichtige Punkte, mit denen sich jeder Handwerksbäcker auseinandersetzt. Der regionale Bezug von Rohstoffen spielt für viele Verbraucher eine immer wichtigere Rolle – sie wollen wissen, woher ihr Brot stammt und wie es gemacht wurde. Das trägt zu einer nachhaltigen Ernährungsweise bei und beweist die Wertschätzung von guten Lebensmitteln. In der Produktion hilft die Digitalisierung, Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen. 

Wie wirkt sich die technologische Entwicklung auf die Betriebe ganz konkret aus? 

Es gibt inzwischen viele KI-basierte Technologien, die den Betrieben das Tagesgeschäft einfacher machen. Viele davon werden wir auf der iba sehen. Einige Bäcker konnten so beispielsweise auf lange Nachtschichten verzichten, andere profitieren von einem System, das automatisch mitteilt, wann sich Regale leeren und wann bestimmte Produkte aus dem Sortiment nachgebacken werden müssen. Für jeden gibt es die passenden Technologien, ohne auf den Anspruch einer handwerklichen Produktion verzichten zu müssen. 

Welche Rolle spielen Handwerkskunst, Frische und Qualitätsbewusstsein für den Erfolg der Handwerksbäcker? 

Für Handwerksbäcker ist die Abgrenzung zur industriellen Produktion essenziell. Die handwerkliche Herstellung und die Liebe zu ihren Produkten können und sollten Bäcker für sich als Alleinstellungsmerkmal nutzen. Nicht ohne Grund wird das Konzept einer gläsernen Backstube immer beliebter. Viele Handwerksbäcker geben auch auf den sozialen Kanälen Einblicke in ihre handwerk­liche Arbeit und machen so Lust auf ihre Produkte. 

Nach fünfjähriger Pause hat die iba 2023 ihre Tore geöffnet. Welche Bedeutung hat ein Live-Event für Ihre Branche?  

Die iba ist ‚das‘ Familientreffen der backenden Branche. Hier treffen kreative und talentierte Branchengrößen aus der ganzen Welt aufeinander, um voneinander zu lernen, sich auszutauschen und sich inspirieren zu lassen. Für große und kleine Bäcker ist der Messebesuch also ein absolutes Muss, um den eigenen Horizont zu erweitern und neue Impulse für das eigene Geschäft mit nach Hause zu nehmen.  

Für welche Initiativen und Veranstaltungen zeichnet Ihr Verband auf der Messe verantwortlich? 

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks hat ein umfangreiches und abwechslungsreiches Programm für das iba.FORUM zusammengestellt. Ansonsten sind die Highlights natürlich die iba.UIBC.CUP of Bakers und Confectioners sowie die Deutsche Meisterschaft der Bäckermeister am Messe-Mittwoch. Persönlich freue ich mich auch auf die iba BackStage young talent days am Messewochenende. Hier werden junge Azubis von Branchengrößen gecoacht und können in einer spannenden Challenge ihr Können unter Beweis stellen. Das ist eine grandiose Möglichkeit, um den Nachwuchs für das Bäckerhandwerk langfristig zu begeistern. 

Was versprechen Sie sich von diesen Aktivitäten? 

Unser Ziel ist es, die Handwerksbäcker über neue Themen und Trends zu informieren; aufzuzeigen, welche Künstler unsere Branche bereithält und dass es sich lohnt, auch in herausfordernden Zeiten dem Handwerk treu zu bleiben. Nicht ohne Grund gibt es so viele Familienbetriebe, die seit Generationen existieren und die Kunden jeden Tag aufs Neue begeistern. 

Wie wird sich die Backbranche kurz-, ­mittel- und langfristig entwickeln? 

Die Branche wird sich weiter entwickeln mit spannenden neuen Trends, die durch außerordentliche Talente und effizienter Technik entstehen. Ich wünsche mir, dass sich die langjährige Arbeit des Zentralverbandes auf der politischen Ebene auszahlt und die Bundesregierung das Versprechen einhält, für Bürokratieentlastung zu sorgen. Eine mittelstandsfreundliche Wirtschaftspolitik, die zugleich gründerfreundlich ist, wird eine heranwachsende junge Generation ermutigen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, so dass wir uns auf viele kreative Handwerksbäcker und ein vitales Bäckerhandwerk freuen können. 

Die Fragen stellte Karen Gellrich 

BÄCKERMEISTER UND FUNKTIONÄR 

Michael Wippler übernimmt 1981 den Familienbetrieb in Dresden und führt die Bäckerei Wippler GmbH seit 2004 als Geschäftsführender Gesellschafter. Er engagiert sich ehrenamtlich, ist im Vorstand mehrerer Verbände und wird 2015 zum Präsidenten des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV) gewählt. Seit der Wiederwahl 2019 muss Wippler den ZV durch schwierige Zeiten navigieren: Erst kam Corona, dann hohe Energie- und Rohstoffkosten. Unter dem Motto #BrotStattBürokratie fordert der ZV Erleichterungen für das Handwerk.  

„Wir müssen das Handwerk wieder attraktiver machen!“ 

Michael Wippler, Präsident des Zantralverbandes des Deutschen Backhandwerks e. V. 

„Verbraucher wünschen sich Regionalität und handwerkliche Qualität.“

Michael Wippler 

„Es lohnt sich, auch in herausfordernden Zeiten dem Handwerk treu zu bleiben.“ 

Michael Wippler

Die digitale Plattform iba.UNIVERSE

Die Digitalisierung macht nicht nur den Bäckereialltag einfacher, sondern auch den Messebesuch der iba. iba.UNIVERSE ermöglicht eine völlig neue Art, sich auf die Messe vorzubereiten: Über iba.UNIVERSE können Teilnehmer nicht nur nach spannenden Ausstellern, sondern auch gezielt nach redaktionellen Inhalten suchen.

Zu den iba.TOPICS Handwerk, Food Trends, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Komplettlösungen und Qualitätsmanagement können bereits heute spannende Beiträge entdeckt werden. Messebesucher können darüber hinaus schon vor der iba neue Geschäftsfelder und poten­zielle Partner kennenlernen. Auf der Messe selbst können diese dann gezielt besucht werden.

Sein Netzwerk erweitern und Kontakte pflegen wird mit iba.UNIVERSE leicht gemacht, indem man Ausstellern folgen kann und so auf dem Laufenden bleibt. Mit
einem Klick erhalten die Besucher zudem die digitale Visitenkarte oder können einen Termin vereinbaren.

Dieser Artikel stammt aus unserem iba.INSIGHT Magazin. Für weitere iba.INSIGHT Artikel melden Sie sich für unseren Newsletter an und erhalten Sie das ganze Magazin mit spannenden Themen rund um die backende Branche als Dankeschön in PDF-Form zugeschickt.