Bernd Kütscher gilt als einer der Vorreiter in Sachen „Comeback des Brotes“. Der Präsident der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim über Ausbildungsqualität, Wertschätzung und das Potential des Handwerks.

Brot und Brötchen gehören einfach zu unserer Tradition. Nicht umsonst wurde die Deutsche Brotkultur im Jahr 2014 durch die nationale UNESCO-Kommission in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Nach wie vor zählt das Bäckerhandwerk zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren Deutschlands.  

Dabei trifft traditionelles Handwerk auf aktuelle Trends zu bewusster, gesunder und nachhaltiger Ernährung. Gepaart mit Außer-Haus-Verzehr und internationalen Geschmackserlebnissen eröffnen sich neue Chancen im Backgewerbe. So kam die Branche relativ stabil durch das Krisenjahr 2022. Laut Angaben des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. stieg der Jahresumsatz im Bäckerhandwerk im Jahr 2022 um 1,38 Milliarden Euro auf 16,27 Milliarden Euro. Dies entspricht gegenüber dem Vorjahr einer Zunahme um 9,26 Prozent, was aber zum größten Teil auf allgemeine Preissteigerungen zurückzuführen ist.  

Dass sich der durchschnittliche Umsatz pro Betrieb sogar um 13,38 Prozent auf 1.694.000 Euro erhöht hat, liegt auch an der wiederum gesunkenen Zahl der Betriebe, von denen der Zentralverband zum 31.12.2022 nur noch 9607 ausweist – so wenig wie noch nie zuvor. 

Glewichwohl ist Potential für Brot und Backwaren da, doch auch die Backbranche hat mit dem Wandel des Arbeitsmarkts zu kämpfen. Vor allem fehlt der Nachwuchs. 2022 sank die Zahl der Auszubildenden auf einen neuen Tiefstand: 10.846. Im Jahr davor waren es noch 12.242. Der Rückgang betrifft sowohl den Lehrlingsbestand der Bäckerinnen und Bäcker als auch die Anzahl der Fachverkäuferinnen und Fachverkäufern. Auch die Zahl der Auszubildenden mit Migrationshintergrund sank um 13,8 Prozent. Hinzu kommt, dass immer mehr Bäckerlehrlinge ihre Ausbildung abbrechen und ihre Verträge vorzeitig auflösen (im Jahr 2022 waren das 23,2 Prozent).   

Dem gilt es mit innovativen Strategien entgegenzusteuern. Als einer der Vorreiter in Sachen „Comeback des Brotes“ gilt Bernd Kütscher. Der Bäckermeister ist Präsident der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim, die unter seiner Führung internationales Renommee erlangte und heute gefragte Aus- und Weiterbildungsstation für Bäckernachwuchs aus aller Welt ist. 2019 wurde die Akademie von der Europäischen Union als innovativster Bildungsanbieter Europas ausgezeichnet.  

Kütscher setzt auf eine neue Generation von Bäckermeistern, die bewusst an alte Traditionen anknüpfen und daraus neue Kreationen schaffen. Wir sprachen mit ihm über sie derzeitige Situation und über mögliche Lösungsansätze und erfolgreiche Strategien.  

Herr Kütscher, der allgemeine Fachkräftemangel trifft praktisch jede Branche in Deutschland. Doch das deutsche Bäckerhandwerk kämpft schon seit Jahren mit dem Problem Nachwuchsmangel – schon 2008 hatte die Werbegemeinschaft des Deutschen Bäckerhandwerks dazu ihre Nachwuchskampagne ‚Back dir deine Zukunft’ ins Leben gerufen, die Maßstäbe setzte. Und doch fehlt es immer noch am Nachwuchs. Was sind für Sie die Hauptgründe, dass die Backbranche offensichtlich noch immer so wenig attraktiv erscheint? 

Abgesehen von demografischen Gründen, die alle Branchen betreffen, haben wir im Bäckerhandwerk leider noch den Umstand, dass junge Menschen nichts über die Vielfalt sowie die Chancen einer Ausbildung im Bäckerhandwerk wissen. Die genannte Kampagne hat geholfen, doch der Bäckerberuf wird noch zu häufig auf „früh aufstehen“ reduziert, wobei nicht einmal das in allen Fällen korrekt ist. Immer mehr Bäckereien haben heute auch Tagschichten und bieten eine Ausbildung tagsüber.  

Kampagnen von Institutionen und Verbänden der Bäckerbranche wie die bereits erwähnte haben in den vergangenen Jahren schon einiges erreicht, um das Image der Branche positiv zu beeinflussen und den Beruf attraktiver zu machen.  Gibt es darüber hinaus erfolgversprechende Strategien, um dem allgemeinen Fachkräftemangel im Bäckerhandwerk entgegenzutreten? Es ist ja auch wichtig, Auszubildende langfristig für den Beruf begeistern, und sicher lohnt es sich, auch Quereinsteigern und Flüchtlingen die Chance für eine spätere Karriere zu geben. 

Ausgehend von einem Ausbildungsgipfel an der Bundesakademie des Bäckerhandwerks in Weinheim sind verschiedene Arbeitsgruppen entstanden, die das Thema ganzheitlich angehen. Der Blumenstrauß der Maßnahmen würde dieses Interview sprengen. Ergänzend gibt es vielerlei Programme in den Fachschulen des ADB-Verbunds, beispielsweise berufsfördernde Maßnahmen für Flüchtlinge und für Quereinsteiger. Mindestens ebenso wichtig finde ich, dass die Betriebe ihre Ausbildungsqualität prüfen und gegebenenfalls optimieren, auch mit Blick auf die besonderen Bedürfnisse der jungen Generation. 

Wie sieht die aktuelle Situation in der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern in der Backbranche aus? 

Die Ausbildungszahlen befinden sich leider auf einem zu niedrigen Niveau, jedoch mit leicht positiven Tendenzen. Nachdem die Bäckereien aufgrund der Marktveränderungen immer professioneller und vielfach immer größer werden, wächst hingegen der Bedarf an Weiterbildungen. In Weinheim und an weiteren Fachschulen steigen die Teilnehmerzahlen. Letztlich bringt jedes Seminar nicht nur einen Mehrwert für den Betrieb selbst, sondern zeigt dem Mitarbeitenden ein hohes Maß an Wertschätzung, was in Zeiten des Fachkräftemangels immer wichtiger wird.    

Sie sehen also gute Chancen für eine Karriere im Bäckerhandwerk, aber auch in der Industrie?  

Ja sicher. Nachdem der Bedarf an Fachkräften höher ist als die Zahl jener, die neu in den Beruf kommen, bieten sich jungen Menschen enorme Chancen, wenn sie den Beruf Bäcker:in oder einer Bäckereifachverkäufer:in ergreifen. Nachdem die Industrie oft keine Bäcker ausbildet, wohl aber gut ausgebildete Bäcker braucht, setzen sich die Möglichkeiten dort fort. Die Karrieremöglichkeiten steigen dann mit jeder Weiterbildung, etwa zum Meister, zur Geprüften Verkaufsleiterin, zum Betriebswirt HwO oder zum Brot-Sommelier.  

Die Fortbildung zum Geprüften Brot-Sommelier geht ja auf Ihre Initiative zurück und hat offensichtlich den richtigen ‚Nerv‘ getroffen. Mittlerweile ist an der Akademie bereits der erste Lehrgang in englischer Sprache gestartet…  

Ja, die Brot-Sommelier Bewegung wächst ständig. Diese Zusatzausbildung ist mittlerweile eine der begehrtesten Weiterbildungen an der Bundesakademie Weinheim geworden. Brot-Sommeliers gelten meist als besonders aktiv und wirken oft über die eigenen Bäckereien hinaus. Sie sind echte Multiplikatoren und „Botschafter des Brotes“, die sich auch auf Verbraucherveranstaltungen engagieren und Themen wie Brot und Wein, Brot und Bier oder Brot und Käse bespielen. Den Abschluss des Brot-Sommelier Kurses bildet traditionell ein Event bei und mit Johann Lafer, der es gut auf den Punkt brachte: „Je mehr solcher Kenner es gibt, je mehr Menschen für das Produkt Brot mit Leidenschaft brennen, umso besser geht es der gesamten Branche.“ 

Wie schneidet das Deutsche Bäckerhandwerk im internationalen Vergleich ab hinsichtlich Qualität der Ausbildung, aber auch hinsichtlich der in Bäckereien beschäftigten Personen? 

Mit Blick auf jüngste Erfolge unseres Nachwuchses bei internationalen Berufswettbewerben, etwa dem Europameister-Titel bei den EuroSkills 2023 in Danzig, können wir mit Stolz sagen, dass unsere Ausbildung im internationalen Vergleich Spitze ist. Neben der guten Arbeit aller Beteiligten, zum Beispiel das Team des WorldSkills Bundesleistungszentrums an der Akademie in Weinheim und die Bäcker-Nationalmannschaft, die sich in die Trainings einbringt, ist dies sicher auch unserem Ausbildungssystem geschuldet, das weltweit Beachtung findet. Auch das deutsche System mit einem Meister an der Spitze, ist weltweit gesehen einzigartig. All dies führt dazu, dass wir hervorragend qualifizierte Fachkräfte in den Bäckereien haben, wenn nur leider noch zu wenige.  

Wo kann die Politik mehr tun, um die Attraktivität des Bäckerausbildung zu verbessern? 

Neben den allgemeinen Forderungen an die Politik, etwa die Senkung von bürokratischen Belastungen, um sich verstärkt den Menschen im Unternehmen statt Papierstapeln widmen zu können, wäre es aus meiner Sicht dringend geboten, den Wert der beruflichen Ausbildung gegenüber der akademischen Ausbildung in jeder Weise zu fördern. Es gibt ja gefühlt mehr Bauingenieure als Handwerker, die ein Haus bauen oder auch reparieren können. Dass heute rund die Hälfte eines Jahrgangs Abitur macht, wozu die Anforderungen auf den Gymnasien gesenkt wurden, ist aus meiner Sicht eine Fehlentwicklung. Wir brauchen dringend mehr Menschen in der beruflichen Ausbildung. Hier ist auch die Politik gefragt, die richtigen Weichen zu setzen und passende Anreize zu bieten. 

Die Fragen stellte Stephanie Kreuzer 

„Noch immer wissen zu wenig junge Menschen über die Vielfalt sowie die Chancen einer Ausbildung im Bäckerhandwerk.“

Bernd Kütscher, Direktor der Akademie des  Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim  

„Seminare bringen nicht nur einen Mehrwert für den Betrieb selbst, sondern zeigen dem Mitarbeitenden ein hohes Maß an Wertschätzung.“

Bernd Kütscher, Direktor der Akademie des  Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim

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