Bernhard Neuhoff ist seit 1989 Bio-Unternehmer. Zunächst startete er mit einem kleinen Bioladen, der mittlerweile ein großer Biomarkt in Regensburg geworden ist. Im Jahr 2018 übernahm er die 2011 von seinem Sohn gegründete Biobäckerei Neuhoff. Mittlerweile haben sie sechs weitere Filialen, die sie mit ihren 100% Bio-Backwaren beliefern. 

„Ausgeruht und fröhlich am Backtisch stehen“ – so fasst Bernhard Neuhoff, Chef der Biobäckerei Neuhoff das Prinzip des Tagbackens zusammen. In dem Familienbetrieb im bayerischen Regensburg kommen die Bäcker erst um 4 Uhr morgens auf die Arbeit. Die sonst im Bäckerhandwerk verbreitete Nachtschicht gibt es bei ihm nicht. Mit uns hat Bernhard Neuhoff darüber gesprochen, was sich für Kunden dadurch ändert, wieso er damit vor allem erfahrene Bäcker anspricht und weshalb traditionelle Betriebe mehr Mut haben sollten. 

Herr Neuhoff, als Ihr Sohn seine Biobäckerei 2011 gegründet hat, verabschiedete er sich von einer Tradition des Bäckerhandwerks der Nachtschicht. Wieso das? 

Bernhard Neuhoff: Für meinen Sohn war von Anfang an klar, dass er eine Tagesbäckerei haben möchte. Wer arbeitet gerne in der Nacht? Mein Sohn nicht. Ich auch nicht. Als mein Sohn dann 2018 nochmal studieren wollte und ich die Biobäckerei in Regensburg übernommen habe, habe ich zwar vieles umgekrempelt, doch am Konzept des Tagbackens hat sich nichts geändert. 

Wie kann man sich eine Tagesbäckerei vorstellen? Wie sieht ein normaler Tagesablauf bei Ihnen aus? 

Bernhard Neuhoff: Da wir nicht so eine große Bäckerei sind, können wir das Tagesgeschäft in einer Schicht abbilden. Um 4 Uhr morgens kommt der erste Bäcker und beginnt mit der Teigbereitung. Eine Stunde später kommt dann der zweite Bäcker als Unterstützung. Da geht es auf die Teigaufbereitung zu. Gegen halb sechs kommt ein weiterer Helfer und nochmal eine halbe Stunde später ein zweiter. Umso mehr Arbeit anfällt, umso mehr Mitarbeiter sind dann in der Produktion. Da wir bei uns frisch und ohne Backmischungen produzieren, kümmern sich die Bäcker um alles. Sie mahlen das Vollkornmehl, setzen den Sauerteig für den nächsten Tag an, und so weiter. 

Und wann ist dann Feierabend? 

Bernhard Neuhoff: Der, der als erstes kommt, geht natürlich auch als erster nach Hause. Meist zur Mittagszeit. Der letzte geht spätestens um 14 Uhr in den Feierabend. So haben alle ihre acht Stunden voll und das passt wunderbar. 

Abgesehen von mehr Schlaf – was sind Ihrer Meinung nach die größten Vorteile einer Tagesbäckerei? 

Bernhard Neuhoff: Es hat sich rumgesprochen, dass bei uns nicht in der Nacht gearbeitet wird. Dadurch bekommen wir leichter Bäcker und haben keinen Mangel an Arbeitskräften. Das betrifft vor allem erfahrene Bäcker. Wer jung ist, nimmt gerne auch die Nachtzulagen mit und ist tendenziell fitter. Viele Bäcker mit Familie wechseln irgendwann die Branche – weil sie, statt für ihre Familien da zu sein, tagsüber Schlaf nachholen mussten. Bei uns können Bäcker, die leidenschaftlich Bäcker sind, in ihrer Branche bleiben.  

In der Nachwuchsgewinnung ist das Tagbacken also nicht unbedingt ein ausschlaggebender Punkt?  

Bernhard Neuhoff: Doch, da merke ich schon auch einen Unterschied. Wir haben genügend Nachwuchs. Aber das sind interessanterweise in der Regel Abiturienten oder Studienabbrecher, die feststellen, ein Studium ist ihnen zu trocken. Die wollen irgendwas mit ihren Händen machen. Das sind genau die Kräfte, die wir brauchen. Ein Knopf drücken kann fast jeder, aber gutes Brot und gute Semmeln zu backen, da brauche es jemanden, der mitdenkt. 

Jetzt haben wir ein bisschen über die Vorteile gesprochen – gibt es Ihrer Meinung nach auch Nachteile an einer Tagesbäckerei? 

Bernhard Neuhoff: Sicherlich. Zum Beispiel die Einschränkungen im Verkauf. Als ich die Biobäckerei von meinem Sohn übernommen habe, war die Produktion hauptsächlich auf den Großhandel ausgelegt. Mittlerweile sind wir davon weg und machen den Vertrieb unserer Backwaren über eigene Filialen. Und in der letzten der sechs Filialen ist das frische Brot erst um 10 Uhr morgens. Unsere Kunden kaufen ab 6 Uhr Kleingebäck und ab 10 Uhr spätestens das frische Brot. Was wir allerding schon machen, ist, das übrig gebliebene Vortagsbrot günstiger anzubieten. Das hat sich einfach gewandelt, welches Produkt wann gekauft wird.  

Wie reagieren neue Kunden darauf? 

Bernhard Neuhoff: Meist gut. Wir haben vor kurzem den Standort eines konventionellen Bäckers übernommen, samt der Kundschaft. Die sind uns eigentlich alle treu geblieben. Natürlich war es für manche komisch, in der Früh lediglich das Vortagsbrot in der Theke zu sehen. Aber ein wirkliches Problem gab es nie, da nur jeder siebte oder achte Kunde um die Uhrzeit auch wirklich frisches Brot statt Semmeln kauft.  

Sehen Sie sich, was das Konzept einer Tagbäckerei angeht in der Branche, als Vorreiter? 

Bernhard Neuhoff: Ja. Ich merke zwar schon, dass der ein oder andere Bäcker in den letzten Jahren durchaus den Schritt zum Tagbacken gewagt hat. Auch viele junge Bäcker gründen eher eine Tagesbäckerei. Die alteingesessenen Betriebe, die haben wahrscheinlich Angst davor, dass sie Kunden verlieren. Angst, dass sie morgens leere Theken haben.  

Scheint als wäre diese Angst aus Ihrer Erfahrung aber nicht berechtigt 

Bernhard Neuhoff: Nicht wirklich. Bäcker ist ja schon ein Traditionsberuf. Und ich finde, man muss sich von ein paar Traditionen verabschieden. Und eine der Traditionen ist halt, dass man irgendwann zwischen 11 und 1 Uhr nachts zu arbeiten beginnt. Man braucht nur den Mut dazu.  

Tagbäckereien werden teils als Zukunft des Bäckerhandwerks bezeichnet – stimmen Sie dem zu? 

Bernhard Neuhoff: Definitiv. Für mich hat das auch viel mit Glaubwürdigkeit zu tun. Wir besprechen das ja auch mit den Kunden. Wenn ich gefragt werde, warum das Brot bei uns so spät kommt, frage ich: Arbeiten Sie gerne in der Nacht? Und praktisch alle verneinen das. Da ist sofort Verständnis da. Zudem haben wir sehr hohe Qualität, was die Frischhaltung anbelangt. Die Vortagsbrote stehen den frischen Broten eigentlich in nichts nach.  

Würden Sie sagen, dass jede Bäckerei Ihrem Modell folgen kann? 

Bernhard Neuhoff: Umso kleiner, umso handwerklicher eine Bäckerei ist, umso einfacher lässt sich das Tagbacken umzusetzen. Ein großer Bäcker, der viele Filialen hat und auch für den Großhandel produziert, für den ist es vermutlich schon schwieriger. Grundsätzlich geht es darum, sich als Handwerksbäcker treu zu bleiben. Ob man nachts oder tagsüber backt – es geht um das selbst produzieren und darum, in hoher Qualität zu produzieren. Genau das schmecken die Kunden. 

Wenn Sie eine Tagesbäckerei in möglichst wenig Wörtern beschreiben würden. Welche wären das? 

Bernhard Neuhoff: Ausgeruht und fröhlich am Backtisch stehen und tolle Brot backen. Das lieben unsere Bäcker.