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Food Trends: Sauerteig, Snacks und Sojasahne

iba.TOPIC: FOOD TRENDS

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München, Deutschland

Traditionelle Rezepte, gesunde und nachhaltige Lebensmittel, aber auch der schnelle Snack zwischendurch – die Ansprüche der Verbraucher steigen. Die Backbranche reagiert darauf mit kreativen Konzepten.

Die französischen Abendnachrichten überraschten vor Kurzem mit einer Statistik. Demnach greifen die Franzosen fröhlich zu Sahnetörtchen und Nougatcremes, obwohl sie sonst an allen Ecken und Enden sparen. Nach dem Motto: Was soll’s. Ein bisschen Süßes tröstet über die allgemeine Weltuntergangsstimmung hinweg. Auf dieser Seite des Rheins ist von der Lust auf zuckrige Gute-­Laune-Macher noch nichts zu spüren, zumindest nicht in der Backstube von Patrick Zimmer. „Bei Stuten und süßen Wecken habe ich eher einen Rückgang bemerkt“, sagt der Brotsommelier und Bäckermeister, der im Eifelstädtchen Kall-Sistig einen Familienbetrieb führt. Das liege daran, dass das Bewusstsein für gesunde, zuckerarme Kost gewachsen sei. „Der ernährungsphysiologische Wert“, so Zimmer, „spielt eine größere Rolle.“

Seine Erfahrungen decken sich mit den Erkenntnissen der Trendforscher. Dass Lebensmittel, die bekömmlich und hochwertig sind, derzeit den Nerv der Verbraucher treffen, zeigt der Erfolg der Netflix-Dokumen­tation „Hack Your Health“. Sie erklärt, warum ein gesunder Darm für das Wohlbefinden dienlich ist. Und auch in den sozialen Medien haben ernährungsbewusste Influencer wie Stomach Doc viele Follower. Handwerks­bäckern wie Zimmer spielt dieser Trend in die Hände. Der Brotsommelier aus der Eifel backt aus Überzeugung ausschließlich mit lang gereiften Sauerteigen. Die fördern die Gesundheit, weil durch die Fermentation mehr Mineralstoffe und Spurenelemente freigesetzt werden. Ein Nebeneffekt: Das Brot schmeckt auch noch besonders aromatisch.

Die letzten Rätsel der Fermentation sind gelöst

Welche Bakterien und Mikroorganismen im Sauerteig schlummern, war lange Zeit ein Rätsel. Inzwischen aber hat die Wissenschaft sie identifiziert und damit eine kleine Revolution angeschoben. „Die Industrie konnte sich mit den Stämmen von Mikroorganismen versorgen, die sie benötigt, um ein leicht wiederholbares Rezept zu erstellen“, erläutert der Lebensmitteltechnologe Riccardo Satta von CEPI, was dieser wissenschaftliche Durchbruch bedeutete. Das italienische Unternehmen hat Bulk-Handling-Systeme für die industrielle Herstellung von Sauerteig entwickelt.

Sehnsucht nach Nähe und Authentizität

Sauerteigbrot ist nicht nur bekömmlich, sondern weckt auch positive Emotionen. Verbraucher verbinden damit die gute alte Zeit und regionale Authentizität – Werte, die aufgrund der Dauerkrisen und Unsicherheiten an Bedeutung gewinnen. Und Regionalität heißt auch mehr Transparenz. „Die Leute wollen wissen, wer hinter den Lebensmitteln steht und was verarbeitet wurde“, sagt Zimmer. Deshalb veranstaltet er regelmäßig Brot- und Genussabende. „Da geht es um Food Pairing, darum, was zum Brot passt und wie wertvoll es ist.“

Wie man mit örtlicher Nähe punktet, weiß auch Meike Bretschneider, Geschäftsführerin der Vollkornbäckerei Mahlzahn. „Unsere Kunden finden es toll, dass wir unser Mehl jeden Tag selbst mahlen“, sagt sie. Die Biobäckerei mit fünf Filialen in Heidelberg wurde schon 1982 gegründet und ­gehört zu den Pionieren der Vollkornbewegung, die durch den jetzigen Gesundheitstrend noch einmal einen Schub bekommen hat. Das Getreide und viele Zutaten wie Sonnenblumenkerne bezieht Mahlzahn aus der näheren Umgebung.

Tradition 2.0 heißt auch Lust auf Experimente

„Aktuell sehen wir vor allem den Trend zu nachhaltigen und regionalen Zutaten“, sagt auch Georg Schulze, Vertriebsleiter beim Backofenbauer DEBAG in Bautzen. Um den wachsenden Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden, hält er die Einrichtung von Trendbackstationen in den ­Bäckereien für sinnvoll. Dort könnten täglich wechselnde, saisonale und experimentelle Produkte hergestellt werden. „So bleibt das Angebot immer spannend und man reagiert direkt auf die Bedürfnisse der modernen Verbraucher.“ Die neuen Produktionsbacköfen der DEBAG für den Handwerksbereich und mit KI-gestütztem Assistenzsystem sollen den Bäckern helfen, flexibel auf neue Trends zu reagieren.

Tradition 2.0 bedeutet nicht, die Vergangenheit akribisch zu kopieren. Die Kunden seien offen für die Neuin­terpretation von Klassikern, für originelle Geschmacks­richtungen und Gebäckstile, hat Knut Köhler beobachtet, Geschäftsführer der Großbäckerei Schäfer’s, einer Tochter der Edeka Minden-Hannover. „Immer wichtiger“, so ergänzt er, „ist auch das Aussehen. Insbesondere bei den süßen Backwaren sind kreative und ungewöhnliche Dekore für eine ­besondere Optik gefragt.“ Mit Dubai-Schnitten und Velvet-Cake-Torten orientiert sich Schäfer’s an den Social-Media-Trends.

Wie die Fusion von Bäckerei und Gastronomie gelingt

Ob zum Frühstück, als Zwischenmahlzeit, Mittagssnack oder Abendbrot – die Stulle ist zurück auf den Speiseplänen der Deutschen. 30 Prozent gaben in einer Umfrage an, zum Sandwich zu greifen, weil ihnen das Essengehen zu teuer geworden ist. Auch in der Mahlzahn-Filiale in der Heidel­berger Altstadt gehen die „Häppchen“ weg wie nichts. „Die Leute arbeiten in der Nähe und wollen einen gesunden Mittagssnack“, betont Bretschneider. Daher hat die Vollkornbäckerei ihr Angebot in diesem Segment um belegte Brötchen und eine französische Quiche erweitert.

Wer auf diese Welle mit aufspringt, muss auch die Strukturen verändern. „Wichtig ist, dass die Filiale nicht mehr nur Verkaufsraum ist, sondern dass dort ein richtiges Gastrokonzept verfolgt wird“, sagt Alexandra Mehl, Projektmanagerin beim Würzburger Software-Unternehmen e2n. Und ihr ­Kollege, der Sales Manager Philipp Weppert, ergänzt: „Beim Filialmanagementtag habe ich gesehen, dass sich Bäckereien immer mehr in Richtung Gastronomie ausrichten wollen. Brötchen backen sie sowieso, warum also nicht zum Beispiel einen Burger-Laden aus dem Geschäft machen?“

Wenn die Mitarbeiter jeden Mittag die Suppe des Tages über den Tresen reichen und gleichzeitig Lunch-Pakete mit Leberkäse, Falafel und belegten Brötchen für Firmen schnüren, führt das zu einem logistischen Mehraufwand. Mit digitalen Tools für eine filialübergreifende, umsatzbasierte Personalplanung unterstützt e2n die Bäckereien, die innovative Konzepte einführen wollen.

Auch Fleischessern schmeckt veganer Kuchen

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach lebten 2024 in Deutschland 1,47 Millionen Veganer, das entspricht einem Anteil von rund 2 Prozent an der Bevölkerung. Ihre Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken. Europaweit verzichten die Iren, Dänen, Norweger und Schweden am häufigsten auf Fleisch. Der Veganer­Anteil beträgt in diesen Ländern 4 Prozent. Backwaren, die weder Eier noch Milchprodukte, Honig oder Gelatine enthalten, liegen überall im Trend. „Man erreicht nicht mehr nur die vegane Bubble, sondern auch viele nicht vegan ­lebende Menschen, denen diese Rezepte schmecken“, sagt Anna ­Fronek. Die Konditor- und Bäckermeisterin erklärt der Homebaking-Szene in Videos auf Instagram und TikTok, wie ­vegane Kuchen und Torten gelingen. „Viele denken, dass veganes Backen sehr schwierig ist. Aber wenn man die Grundkenntnisse hat, die ich in meiner Ausbildung gelernt habe, muss man nicht viel verändern, um Rezepte zu veganisieren“, versichert die Influencerin, die selbst auch auf tierische Lebensmittel verzichtet, seitdem sie in einem veganen Café gearbeitet hat. Neben Sahne auf Erbsen-, Linsen- oder Mandelbasis schwört sie auf Sojamilch als Ei-Ersatz. Sie habe den höchsten Proteingehalt aller Pflanzendrinks und ent­halte mit Lecithin einen guten Emulgator.

Und was bringt die Zukunft? Da es heute möglich ist, ­digital gesammelte Verbraucherdaten mit Hilfe einer semantischen KI-Technologie zu analysieren, ist es leichter geworden, neue Food Trends vorherzusagen. Darüber hinaus lohnt sich ein Blick nach Übersee. In Chile zum Beispiel ­beliefern die traditionellen Algensammler an der Küste inzwischen die Spitzenrestaurants der Hauptstadt Santiago. Snacks aus Algenmehl, da sind sich die Ernährungswissenschaftler sicher, könnten den Lebensmittelmarkt revolutionieren. Das ernährungsphysiologisch hochwertige Produkt, sagte Roberto Lemus von der Universität Chile in einem Fernsehinterview, könne durch den 3D-Druck attraktivere Formen annehmen und populärer werden. Vielleicht das neue Superfood nach Chia-Samen, Goji-Beeren und Quinoa?     Astrid Möslinger

© Sladic/iStock

Die Amerikaner mögen es swicy

Der neue Geschmacksliebling der Amerikaner ist laut der Unternehmensberatung Baumann + Whiteman „swicy“. Dabei werden süße und scharfe Aromen miteinander kombiniert. Im Trend liegen darüber hinaus auch außergewöhnliche Gourmet-Snacks. Der klassische amerikanische Hoagie, ein üppig belegtes Brioche-Brötchen in länglicher Form, hat vor allem bei der jungen experimentierfreudigen Feinschmecker-Community ausgedient. Angesagt sind Focaccia-Sandwiches mit Zutaten aus dem Delikatessenregal wie zum Beispiel Trüffelcreme, Feigenmarmelade oder Pecorino-Creme.

Tipp: Eric Dell, Präsident und CEO der American Bakers Association (ABA), präsentiert auf der iba die neuesten Daten über die US-Konsumenten und ihre Kaufkraft.

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