Qualität und Innovationen sind gefragt
iba.TOPIC: HANDWERK
Die iba ist die wichtigste internationale Plattform für die Backbranche. Hier treffen sich Experten aus der ganzen Welt. Im Interview spricht Roland Ermer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks e. V., über Herausforderungen in einem schwierigen Marktumfeld und das Potenzial von Food Trends für die Handwerksbäcker.
Herr Ermer, seit 2023 leiten Sie als Präsident die Geschicke des Verbands; gleichzeitig führen Sie seit 37 Jahren erfolgreich einen Familienbetrieb. Sie kennen die Branche also sehr genau. Wie beurteilen Sie die Situation im deutschen Backmarkt im internationalen Vergleich?
Die Lage im Deutschen Bäckerhandwerk ist stabil, aber angespannt. Die Krisen der vergangenen Jahre waren und sind für die meisten Betriebe eine Herausforderung. Doch nicht ohne Grund steht die Deutsche Brotkultur im UNESCO-Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes: Brot ist ein wichtiges Grundnahrungsmittel in Deutschland und die Handwerkskunst wird nach wie vor von den Verbrauchern geschätzt.
Wo liegen die Stärken und Schwächen der Branche?
Der Meistertitel im Bäckerhandwerk steht für Qualität und Expertise, um Backwaren sowohl nach traditionellen Rezepturen zu produzieren als auch neue Innovationen zu kreieren. Das können wir nicht zuletzt bei den hochkarätig besetzten Wettbewerben auf der iba entdecken. Auch Werte spielen eine wichtige Rolle im Bäckerhandwerk: Dazu gehören beispielsweise die Wertschätzung für Rohstoffqualität, die wichtige Verankerung in der Heimatregion, die Mitarbeiterführung und der Umgang mit Kunden. Die Schwäche der Branche ist gleichzeitig auch Stärke: Das Bäckerhandwerk in Deutschland ist sehr heterogen – es gibt nicht den einen Durchschnittsbetrieb, jeder Kollege ist anders aufgestellt. Das macht es manchmal schwer, als Präsident für DIE Branche zu sprechen und Konsens zu schaffen. Doch gleichzeitig werden wir hierzulande, aber auch weltweit für diese einzigartige Vielfalt geschätzt.
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks kämpft schon lange gegen bürokratische Auswüchse. Welche machen es Handwerksbetrieben schwer, macht erfolgreich zu sein?
Besonders belastend sind die vielen Dokumentationspflichten, die wir in Deutschland haben, wie beispielsweise beim Verpackungsgesetz, die Gefährdungsbeurteilung im Arbeitsschutzgesetz oder der Dauerbrenner: die Belegausgabepflicht. Auch Gesetze aus der EU machen es den kleinen und mittelständischen Betrieben schwer, da sich Gesetze oft an die Industrie richten, aber gleichzeitig keine konkreten Handwerkerausnahmen bestehen. Dazu zählt beispielsweise die EU-Entwaldungsverordnung, die in den vergangenen Monaten für viel Zündstoff sorgte. Eine große Forderung von uns an die Politik ist die Reformierung des Arbeitszeitgesetzes: Aktuell dürfen Handwerksbäcker an Sonntagen nur drei Stunden produzieren – das ist viel zu wenig, um mit der industriellen Konkurrenz mithalten zu können.
Mit welchen weiteren großen Herausforderungen hat die Branche zu kämpfen?
Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel ist allgegenwärtig. Viele Betriebe können ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen, obwohl mittlerweile gute Voraussetzungen vorliegen: faire Ausbildungsvergütungen, ein Mobilitätszuschuss, moderne Ausbildungsbedingungen, … Wir entgegnen dem Fachkräfte- und Nachwuchsmangel mit der Kampagne „Back dir deine Zukunft“ und freuen uns, dass es im vergangenen Jahr endlich wieder positive Zahlen bei der Anzahl an abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zu vermelden gab.
Wie unterstützt der Verband die Handwerksbäcker, um diese Herausforderungen zu meistern?
Die bereits erwähnte Nachwuchskampagne ist ein wichtiger Baustein – wir informieren junge Menschen und Eltern über die Kampagnenwebsite, über unsere Social-Media-Kanäle und über entsprechende Pressearbeit. Darüber hinaus bewegen wir viel mit Kooperationen und Zusammenschlüssen, beispielsweise mit dem Bundesinstitut für berufliche Bildung, aber auch mit Dienstleistern aus dem Ausland, um Fachkräfte für Deutschland zu gewinnen.
Was sind in Ihren Augen die wichtigsten Markt-, Food- und Technologietrends und welche Auswirkungen haben diese für die Handwerksbäcker?
Künstliche Intelligenz und digitale Entwicklungen spielen eine große Rolle für betriebliche Abläufe: ob Warenbestellsysteme, die Verlagerung von nächtlichen Produktionsabläufen in den Tag oder die digitale Personaleinsatzplanung. Darüber hinaus spielt die Rückbesinnung auf das handwerkliche Können für viele Betriebe eine immense Rolle: Gläserne Backstuben sind mittlerweile Aushängeschild für die eigene Arbeit. Ansonsten wissen Kunden die Regionalität der Produkte zu schätzen, ganz gleich, ob klassisches Produktsortiment oder neue, gewagte Kreationen, die besonders im urbanen Umfeld beliebt sind.
Wie wirkt sich die technologische Entwicklung auf die Betriebe aus?
Technologische Entwicklungen sind in jeder Branche relevant, deswegen sind Fachmessen wie die iba so essenziell. Jeder Betrieb muss für sich selbst entscheiden, an welcher Stelle es Optimierungsbedarf gibt und wo es sich lohnt, zu investieren. Hierzu zählen beispielsweise hocheffiziente Öfen und Maschinen, die den Handwerksbäckern körperlich anstrengende Arbeiten erleichtern können, oder die Vorteile der Digitalisierung, um etwa eine Kommunikation zwischen Verkaufsstellen, Verwaltung und Produktion noch effektiver gestalten zu können.
Welche Rolle spielen Handwerkskunst, Frische und Qualitätsbewusstsein für den Erfolg der Handwerksbäcker?
Diese drei Attribute stellen die sogenannten USP’s des Bäckerhandwerks dar. Unsere handwerkliche Arbeit ist ein wichtiges Entscheidungskriterium, warum Kunden zum Bäcker gehen. In der Vergangenheit haben manche Betriebe versucht, mit der industriellen Produktion mitzuhalten. Das ist der falsche Weg. Wir können den Kampf um den besten Preis nicht gewinnen, wohl aber können wir mit der Liebe zu unserem Handwerk gewinnen.
Welche Rolle spielen die Themen Regionalität, Saisonalität, Kreativität und Frische?
Das Bäckerhandwerk punktet seit jeher mit einer regionalen Produktion, arbeitet vorrangig mit regionalen Rohstoffen und ist wichtiger Arbeitgeber in der jeweiligen Region. Der Bäcker ist dabei Grundversorger, doch bietet er auch jede Menge Potenzial für Spontankäufe. Daher ist gutes Personal im Fachverkauf so wichtig, um der Kundschaft saisonal attraktive Produkte wie Hefezopf zu Ostern oder Stollen in der Weihnachtszeit anzubieten. Bei der Produktauswahl und -gestaltung ist Kreativität sowohl im Verkaufsraum als auch in der Backstube gefragt – das macht die Arbeit im Bäckerhandwerk ja so reizvoll! Frische ist dabei nach wie vor ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Und das Beste: Ein gutes handwerklich hergestelltes Brot bleibt bei den Kunden auch tagelang zu Hause frisch.
Welche Bedeutung hat die iba für die Branche und speziell für die Handwerksbäcker?
Die iba ist DER Treffpunkt für das Deutsche Bäckerhandwerk. Hier können Betriebe international über den Tellerrand blicken, sich bei Talentwettbewerben inspirieren lassen und sich vor allem mit Kollegen austauschen. Der Messesonntag ist unser Tag der Bäcker, hier haben wir uns speziell für Handwerksbäcker ein umfangreiches und nützliches Programm einfallen lassen.
Nach vielen Jahren in München kehrt die iba im Mai wieder nach Düsseldorf zurück. Welche Gründe gibt es und was erwarten Sie vom Standortwechsel?
Die iba findet in diesem Jahr zu einer unterschiedlichen Jahreszeit und an einem anderen Standort statt. Dies liegt an dem Termin außerhalb des gewöhnlichen Drei-Jahres-Rhythmus und ist immer noch eine Nachwehe aus Corona-Zeiten. Ich freue mich sehr auf den Standort Düsseldorf, da wir so vor allem auch für die angrenzenden Länder attraktiv sind. Ab 2027 findet die iba wieder wie gewohnt in München und dann auch wieder alle drei Jahre statt.
Für welche Initiativen und Veranstaltungen zeichnet Ihr Verband auf der Messe verantwortlich?
In der Halle 14 finden Besucher unser Bäckerdorf: Hier gibt es Gelegenheit, sich beim Zentralverband über aktuelle Aktivitäten und Services zu informieren. Mit dem bekannten iba.Forum bieten wir außerdem einen idealen Ausgangspunkt für eine Messeentdeckung: Die Besucher dürfen sich auf lehrreiche Fachvorträge, spannende Produktbewertungen und emotionale Preisverleihungen wie den Ehrenpreis des Bäckerhandwerks freuen. Höhepunkte sind natürlich die Wettbewerbe in unseren Schaubackstuben, die auch das internationale Publikum anziehen. Eine Neuheit wird die Weltmeisterschaft der Brotsommeliers am Messe-Mittwoch sein. Mit der
iba.Academy bieten wir interessante Workshops für internationale Gäste, außerdem findet dort die Azubi-Werkstatt statt. Und Zeit für Geselligkeit ist natürlich auch eingeplant, beispielsweise mit der iba.Bäcker Party am Sonntag.
Was versprechen Sie sich von diesen Aktivitäten?
Wir möchten, dass jeder Bäcker die iba mit strahlenden Augen verlässt, mit jeder Menge Inspiration für den eigenen Betrieb im Gepäck. Jeder Tag bietet unfassbar viele Eindrücke auf dieser riesigen Leitmesse. Mir persönlich ist vor allem der Austausch und die Vernetzung untereinander eine Herzensangelegenheit: Wir sind eine Branche und stehen alle mehr oder weniger vor denselben Herausforderungen. Daher sollten wir als Gemeinschaft zusammenhalten und voneinander lernen.
Wie wird sich die Backbranche kurz-, mittel- und langfristig entwickeln?
Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel wird uns auch in den kommenden Jahren beschäftigen, weshalb es so wichtig ist, gute Rahmenbedingungen für Arbeitgeber und -nehmer zu schaffen. Wenn wir Bäcker uns auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren und das Handwerk nicht aus den Augen verlieren, blicke ich optimistisch in die Zukunft. Letztendlich liegt das zu einem gewissen Teil auch an den politischen Gegebenheiten: eine wirtschaftsfreundliche Politik, die nicht mit Regulierungen hemmt, sondern Möglichkeiten für Unternehmer schafft, ist dabei unabdingbar.
Das Interview führte Peter Schneider
© Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V.